»Zwo Kirchen«?

Fragen zum Kirchenverständnis im Reformprozess der EKD
Von: Martin Honecker

Kirche ist nicht nur Institution, sondern auch Organisation. Doch gerade um die Ordnungen von Kirche bricht oft Streit aus. So auch im Rahmen des Reformprozesses der EKD. Martin Honecker greift auf Orientierungen bei Luther sowie bei der Konstituierung der EKD nach 1945 zurück und resümiert den Stand der Debatte um den Reformprozess.

Dazu kommen zwei weitere grundsätzliche Einwände, die das gesamte Impulspapier betreffen und nicht nur einzelne Aspekte und Vorschläge der Konkretion. Das ist einmal der wegen des Entstehungsprozesses und des Vorschlagsbündels erhobene Vorwurf des Zentralismus. Es war ein Top-down-Prozess, in welchem das Impulspapier entwickelt wurde. Kann dieser in evangelischer Kirche gelingen? Es ist unverkennbar, dass die Reformvorschläge eine Stärkung der Zentrale notwendig machen und dadurch Macht von unten nach oben verlagert wird. Unter Macht ist dabei die Zuständigkeit und das Recht zu Entscheidungen verstanden. Eine solche Verlagerung von Zuständigkeiten hat eine Hierarchisierung – und Bürokratisierung – zur Folge, die auf Kosten von Beteiligung geht. Darin ist ein Dissens zwischen kirchenleitenden Instanzen und Organen einerseits und der Pfarrerschaft andererseits angelegt.

Der andere Vorwurf betrifft die Sprache der Ökonomie. Wie in wirtschaftlichen Unternehmen Gewinnerwartungen und ökonomische Ziele vorgegeben werden, so formuliert das Impulspapier auch für die Kirchengemeinden vor Ort Ziele. Da ist von Taufquote und Trauquote die Rede, von Steigerung der Kirchgangsfrequenz, von Marktverlust im Bereich des Kerngeschäfts, von Orientierung an Erfolgsmodellen, von der Entwicklung eines Corporate Designs. Da wird verlangt, »Ziele zu formulieren« und »Erfolge zu überprüfen«. Nun ist zwar die Verwendung wirtschaftlicher Sprache als eine Art Verfremdungseffekt nicht an sich von vornherein verwerflich. Allerdings enthält jede Sprache eine eigene Denkweise. Man kann Sprachänderungen nicht einfach formal einsetzen. Und es gibt auch keine spezifisch sakrale Sprache. Daher sind hermeneutische Reflexionennotwendig, in welchem Sinne ökonomische Begriffe und Interpretationen überhaupt geistlichen, kirchlichen und theologischen Aussagen angemessen sind. Das Impulspapier lässt jedoch nicht erkennen, worin man einerseits von Organisationserfahrungen betriebswirtschaftlicher Praxis und Theorie gelernt hat, und es kann vor allem andererseits nicht deutlich machen, wo man davon abweicht. Es ist auch nicht klar, ob es um Visionen, Wunschziele oder um betriebliche Kennzahlen, also um die Produktivität von Pfarrern und Gemeinden gehen soll. Auch liegt die Erreichung dieser Vorgaben nicht im Handlungsbereich der EKD. Das Impulspapier denkt in vielen einzelnen Forderungen in Quantitäten. Im Verlauf der Debatten wurde statt der Zahlen stärker die Bedeutung der Qualität kirchlichen Handelns betont. Aber auch hier bleibt offen, ob es für die Ermittlung der Qualität kirchlichen Handelns im Kernbereich – also in Seelsorge, Verkündigung, Gottesdienst – überhaupt Kriterien der Beurteilung gibt, die anwendbar sind.

(…) Die Frage ist, woher denn die EKD eine geistliche Autorität nimmt, über die Reform der Gemeinden zu befinden.

Lesen Sie hier den ganzen Artikel aus dem Deutschen Pfarrerblatt, Nr. 10/2015: http://www.pfarrerverband.de/pfarrerblatt/index.php?a=show&id=3906

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