Newsletter September 2022

Sinfonie oder Streichkonzert

Was uns Kirchenmitgliedern mit PuK von einigen Seiten als Sinfonie „Aus der neuen Welt“ ange-
priesen wurde, entpuppt sich als schnödes Streichkonzert. Nicht, dass so ein Streichkonzert auch

seine Reize hätte, aber nach der Ankündigung eines vollen, sinfonischen Orchesterklangs ist das
dann doch eine Enttäuschung. Und die ist aktuell in unserer Kirche mit Händen zu greifen. Dazu

kommt eine tiefe Verunsicherung, weil scheinbar alles auf dem Spiel steht, insbesondere für Kir-
chengemeinden: Gemeindegrenzen, Personal, Immobilien, Zuweisungen etc…

Es wäre gut gewesen, wenn dies von Anfang an so kommuniziert worden wäre und nicht ver-
brämt mit einem Reformprogramm, dessen Kehrseite man tunlichst zu verbergen suchte.

Auch weiterhin werden ja Jubelarien gesungen auf die Aufbrüche in Regionen und

M.u.T.machende Projekte. Nur eben ist die Begleitmusik dünn und die hochgesteckten Erwar-
tungen werden im Alltag mit Enttäuschungen umgehen müssen.

Natürlich ist es unumgänglich, bei sinkenden Mitgliederzahlen, Einnahmen und Mitarbeitenden

danach zu fragen, wie wir uns zukünftig organisieren, was wir uns noch leisten wollen und kön-
nen. Diese schmerzhafte Fragestellung wohnt ja dem PuK-Prozess inne:

Konzentration! Nur so recht ernst genommen hat diesen Teil kaum jemand. Lieber entwarf und
entwirft man Zukunftsvisionen von erblühten Kirchenlandschaften, unterlegt mit Orchesterklang
aus der Konserve – denn für Livemusik reichen die Ressourcen schon nicht mehr.
Ja, wir müssen uns konzentrieren. Das ist keine Frage! Nur Wo und Wie?
Ich habe den Eindruck, im Moment möchte man noch so viel wie möglich erhalten vom großen
Orchester. Bei den Streichern, ja da kann man Abstriche machen. Waren eh mehr als genug. Aber
bei den Bläsern? Nein, da dürfen wir nicht sparen. Lauter bestens ausgebildete Spezialisten!
Und erst recht nicht bei den Schlagwerkern, denn die sind ja was fürs Auge und sorgen für den

nötigen Wumms. Außenwirkung! Die eigens angefertigten großen Trommeln konnten bisher lei-
der nur die Wirkung einer Fingerzimbel entwickeln. Aber das darf doch nicht die Entwicklung

weiterer Großinstrumente bremsen…!
Und schade wäre es auch um die Harfe, das Akkordeon, das Saxophon – die werden zwar nicht
dauernd gebraucht, aber für alle Fälle… Die musikalische Leitung im Hintergrund? Ja, natürlich.
Für jedes Klangregister sind eigene nötig, bis hin zur Chefetage!
Es ist ohne Frage schwierig, den Prozess des Schrumpfens einzuleiten. Aber wir kommen nicht
darum herum. Und jetzt muss auch dringend die Frage geklärt werden, auf welcher Ebene ein
Schwerpunkt für die zukünftige Entwicklung unserer Kirche gesetzt wird:
 auf der Gemeindeebene in regionaler Orientierung mit entsprechender Nähe zu den
Schwachen, Kranken und Armen?
 oder die übergemeindliche Ebene ohne das verbindliche, verlässliche Zusammenleben vor
Ort?

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Natürlich werbe ich für die Gemeindeebene, die Streicher im Orchester, obwohl ich von Hause
aus und real ein Blechbläser bin. Und wenn uns der große Wurf gelingen soll (d.h. für mich, uns
mutig von einem Überangebot in unserer Kirche zu trennen, dessen Nachfrage unklar ist), dann

bedeutet das eine große Anstrengung auf allen Ebenen und in allen Bereichen, damit wir die nö-
tigen Investitionsmittel für den zukünftigen Weg bereitstellen können.

Statt Angeboten ins Blaue hinein Orientierung an der Nachfrage!
Das gilt für die Gemeindeebene, vor allem aber für übergemeindlichen Initiativen unserer Kirche.

Der Unsitte von Jahresprogrammen in Hochglanzoptik und Flyern für jeden nur erdenklichen An-
lass müsste schon aus Gründen des nachhaltigen Wirtschaftens Einhalt geboten werden. Und

finanzielle und personelle Ressourcen sollten nicht der Angebotserstellung dienen, sondern der
Arbeit mit und für die Menschen.

Mitarbeitende in kirchlichen Berufen sollten primär auf der Ebene der Gemeinde eingesetzt wer-
den, um Aufbauarbeit verbindlicher Beziehungen zu leisten. Ohne Musikschulen kein Orchester!

Wenn dennoch Arbeitsbereiche über die Gemeindeebene hinweg als sinnvoll erachtet werden,
ist der Grundauftrag von Verkündigung und Seelsorge nicht aus dem Blick zu verlieren. Warum
geben Pfarrerinnen und Pfarrer in sog. Funktionsstellen nicht ebenso Religionsunterricht wie die
Kolleginnen und Kollegen in den Gemeinden? Zumal ja Lehrkräfte für den Religionsunterricht
fehlen ohne Ende und der Einsatz der prognostizierten klammen Kirchenkasse guttun würde.
Und noch Eines zum Schluss: Die neue Bischöfin / der neue Bischof sollte die Kraft haben, den
schmerzhaften Prozess einer kleiner werdenden Kirche zu gestalten und geistlich zu tragen.
Schönreden und Motivationsspielchen hatten wir zur Genüge.
Beten wir inbrünstig darum, dass uns eine Person geschenkt wird, die den Herausforderungen
der Zukunft gewachsen ist und die sich mit einem Streichorchester begnügt. Und wenn dann
noch der aufs Dirigentenpult darf, der die Fülle des himmlischen Klangs in sich trägt, ist mir nicht
bange um die Zukunft.

Karl-Friedrich Wackerbarth

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